Seehausen und seine Kirche

Ein Dorf und ein Frauenkloster am See

Das einstige Fischerdorf Seehausen am ­Oberuckersee fand seine erste urkundliche Erwähnung im Jahr 1250. Es gehörte wie sieben weitere Dörfer zum Besitz des Klosters Marienwerder. Das vermutlich älteste Zister­zienserinnenkloster Brandenburgs lag direkt am Ufer des Sees, auf der heutigen Klosterhalbinsel, die sich südlich von Seehausen erstreckt.

Nach zerstörerischen Bränden und im Zuge der Reformation wurde das Kloster 1543 aufgelöst und der Bau im Laufe der folgenden Jahrhunderte fast vollständig abgetragen. Seine Steine fanden vielfach Verwendung – so unter anderem zur Befestigung der Straße von Seehausen nach Potzlow. In den 1980er- und 1990er-Jahren förderten umfangreiche archäologische Tauchfunde ei­nen wahren Schatz alltagskultureller ­Gegenstände des Klosters zu Tage. Die überregional bedeutende Sam­mlung, die unter anderem den größten zusammenhängenden Fund von Pilgerzeichen enthält, ist heute im Kulturhistorischen Museum des Dominikanerklosters Prenzlau zu besichtigen. Bei einer weiteren archäologischen Grabung 2012 wurden insgesamt 61 menschliche Skelette und zahlreiche Kleinfunde, wie Münzen, Schmuck und Keramik, geborgen.

Archäologische Funde aus dem Kloster / Fotos: Dominikanerkloster Prenzlau

Eine Kirche aus Einkünften des Tabakanbaus

Die im historischen Ortskern 1753 fertiggestellte Kirche ist eine der seltenen Fachwerkkirchen in der von mäch­tigen ­Feldsteinkirchen dominierten Uckermark. Vermutlich ermöglichten es die Einkünfte aus dem Tabakanbau – damals ein neuer einträglicher Wirtschaftszweig – den Kirchenbau. Über die Existenz eines Vorgängerbaus ist nichts überliefert, jedoch deuten eine wesentlich ältere Glocke, die das Datum 1622 trägt, sowie Teile des Inventars darauf hin, dass dieser Kirchenbau in Seehausen nicht der erste war.

Blick in das Kirchenschiff / Foto: Katrin Schoof

Das Bauwerk entstand im Wesentlichen aus ­hölzernem Fachwerk, mit Ausfachungen aus Mauersteinen. Der Chor ist gerade und nicht eingezogen. Das Kirchenschiff ist ein schlichter, rechteckiger Fachwerksaal mit drei rechteckigen Fensterachsen. Der lichte, von hohen Sprossenfenstern beleuchtete Raum hat eine flache Holzdecke mit sichtbarer Balkenlage. Die Auflager werden von gefasten Pfosten mit angedeuteten Kapitellen gestützt, die gleichzeitig die schlichten Wände rhythmisch gliedern.

Über dem Westgiebel erhebt sich ein ­verbretterter  Turm­­helm mit vier Klangarkaden und einer Turmuhr. Der Zugang zum Sakralbau erfolgt über einen kleinen Anbau, der sich an der Westseite des Turmes befindet.

Reiches Schmuckwerk und eine kleine Überraschung

Schmuckstücke des Kirchenraums sind zweifelsohne der Altar und die Kanzel. Der dreiteilige Altaraufsatz, mit reichhaltigem Renaissanceschmuck verziert, ist zwischen 1560 und 1580 datiert und somit rund 200 Jahre älter als die Kirche selbst.

Der Altar / Foto: Katrin Schoof

Die «Predella», den Unterbau des Altars, schmückt ein Schnitzrelief des Abendmahls. Flankiert wird es von den beiden thronenden Apostelfürsten Paulus und Petrus mit ihren Attributen Schlüssel und Schriftrolle. Im zentralen Feld des Altars betrauern Maria und Johannes den Gekreuzigten. Im Hintergrund ist mit Palmen, Zinnen und Türmen das biblische Jerusalem dargestellt. In der Bekrönung des Altars beschließt der segnende Erlöser der Welt, der «Salvator mundi» mit der Weltkugel, den Aufbau.

Der hölzerne Kanzelkorb, laut einer Inschrift im Jahr 1619 entstanden, ruht auf einem kräftigen Volutenkranz mit betenden Engelsfiguren. In seinen Brüstungsfeldern sind die vier
Evangelisten gezeigt. Eine Überraschung findet sich im fast an die Kirchen­decke stoßenden Schalldeckel: Zwischen reich ­geschnitztem Rankenwerk und den musizierenden Engeln lugt halb versteckt eine kleine Madonnenfigur aus der Zeit um 1500 hervor. Ob sie womöglich aus einem Altar des ehemaligen Klosters stammt, ist nicht bekannt. Als hier nach dem Zweiten Weltkrieg Flüchtlinge aus dem Osten auch katholische Gottesdienste feierten, hat die Mariendarstellung vielleicht manchem die Ankunft in der neuen Heimat erleichtert.

Die Kanzel / Foto: Katrin Schoof

Eine «Montagsorgel» und weiterer Renovierungs­bedarf

Von der Ausstattung aus der Barockzeit sind zwei prachtvolle Bronzekronleuchter, einer davon auf 1715 datiert, erhalten geblieben. Gleichzeitig mit dem Ge­stühl wurde um 1860 die pneumatische Orgel vom Stet­tiner Orgelbauer Friedrich Wilhelm Kaltschmidt auf einer Empore gegenüber des Altars erbaut. Sie erwies sich allerdings als so reparaturanfällig, dass man sich 1906 zu einem Neubau der Orgel durch Albert Kienscherf aus Ebers­walde entschloss. Auf Initiative des Fördervereins ­­Dor­fkirche Seehausen / Uckermark e.  V. wurde sie im Jahr 2010 restauriert.

Der Kirchenraum mit der Orgel / Foto: Katrin Schoof

Zum Beginn des 21. Jahrhunderts befand sich die ­Kir­che in baulich schlechtem Zustand. So hatte beispielsweise zur Ausbesserung verwendeter Zementputz zu erheblichen Feuchtigkeitsschäden am Fachwerk geführt. Die erfor­derliche Sanierung und Renovierung des gesamten Bauwerkes wurde aus verschiedenen öffent­lichen Fördermitteln, Eigenmitteln der Evange­lischen ­Landes­kirc­he sowie durch private Spenden bestritten. Nach fünfjähriger Bauzeit konnte die Dorfkirche im Jahr 2020 wiedereröffnet werden.

Viele Ausstattungsgegenstände wie der Taufstein aus Tonguss zeugen von der jahrhundertelangen Pflege und und Wertschätzung der Seehau­sener Kirche. Mit der Arbeit und dem besonderen Engagement des 2008 ge­grün­deten Fördervereins Dorfkirche Seehausen/Ucker­mark e. V. findet diese Wertschätzung ihre Fortsetzung. So blickt die Seehausener Kirche nun frisch instand gesetzt der Zukunft entgegen.

Text: Katrin Schoof